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29.06.2014 / Arbeit - das Ziel einer spirituell entwickelten Gesellschaft

Veröffentlicht am 29.06.2014

Die Arbeitslosigkeit, wie sie im Sinne der Marktwirtschaft definiert ist, ist genau das Ziel einer spirituell entwickelten Gesellschaft. Denn erst wenn Menschen nicht mehr für ihr Lebensunterhalt  arbeiten müssen, werden sie sich wirklich frei  entfalten, sich aus der inneren Berufung ihrer selbst erwählten Arbeit widmen und als Menschheit gemeinsam schöpferisch wirken können!

Die heutige kapitalistische marktwirtschaftliche Bedingung, dass ein Mensch sich sein Lebensunterhalt im Rahmen der Marktwirtschaft verdienen muss, ist aufgrund des bereits erreichten technischen Fortschritts längst überholt. Die kapitalistische Art zu wirtschaften ist ohne Zweifel ein Meilenstein in der Geschichte der Menschheit und hat den technologischen Fortschritt erst ermöglicht. Der Kapitalismus hat jedoch auch massive Nebenwirkungen, die wir heute, auch Dank dem technologischen Fortschritts, zweifellos erkennen können. Nicht nur, dass das aktuelle marktwirtschaftliche Arbeitsspektrum den tatsächlich vorhandenen menschlichen Potential der Entfaltung bei weitem nicht abdecken kann, die Anzahl der nachgefragten (und somit auch bezahlten) Fähigkeiten senkt immer mehr. Die Menschen werden durch die marktorientierte Bildung immer stärker zu einer vom Markt diktierten Spezialisierung gezwungen, was insgesamt, auch wenn das auf der Schnelle nicht offensichtlich als erkennbar erscheint, in sich die Gefahr birgt, langsam aber sicher zu einer Verdummung der gesamten Menschheit zu führen. In meinem Empfinden wird der Mensch dadurch wortwörtlich Aus der Bildung heraus genommen. Aus dem einst selbstständigen, höchst erfinderischen Individuum wird ein hoch spezialisierter und entmündigter „Arbeitnehmer“, „Kunde“ und „Konsument“, der weder eine eigene Sicht der Welt hat und sich traut sie zu äußern, noch, aufgrund der bereits in den Schuljahren eingenähten Bildungs-Scheuklappen, eine eigene Ansicht und Meinung überhaupt entwickeln kann.

Das menschliche Potential ist viel komplexer als das, was in der Marktwirtschaft als profitabel verkäufliche und Rendite abwerfende „Produkte“ umgesetzt werden kann. Es ist sogar so, dass das Meiste, was Menschen können, was Menschen für Fähigkeiten und Gaben einzusetzen haben, in einem vom schnellen materiellen Profit beherrschten Markt keine „Verkaufschancen“ haben, auch wenn diese Gaben tatsächlich gebraucht werden - siehe z.B. die soziale Kompetenz, die für die Pflegearbeit zwingend notwendig ist. Diese Fähigkeit wird eingesetzt, jedoch nicht bezahlt, sondern als selbstverständlich vom „Arbeitgeber“ vorausgesetzt und ausgenutzt, solange sie die „Produktivität“ nicht in die Quere kommt. Warum? Ganz einfach: Menschlich zu sein ist marktwirtschaftlich nicht „effizient“ und senkt die „Produktivität“. Dass diese Art des Umgangs mit Menschen, für alle Beteiligten sehr frustrierend, entmutigend und sogar erniedrigend ist, ist für die Marktwirtschaft nicht von Bedeutung.

Das führt dazu, dass die meisten Menschen, um ihren geforderten Lebensunterhalt zu verdienen und somit überleben zu können, sich lebenslänglich Aktivitäten und Arbeiten bzw. Arbeitsweisen widmen müssen, die nur wenig oder gar nicht ihren Begabungen und ihrem wahren Potential entsprechen. Wegen so vielem „Lebensunterhalt verdienen“, kommen in ihrem Leben die meisten Menschen niemals wirklich dazu herauszufinden was sie wirklich können, geschweige das Herausgefundene auch umzusetzen und ihr Potential zu verwirklichen. Stellen Sie sich mal kurz vor, wie viel Potential, das sinnvoll eingesetzt werden könnte, dadurch der Menschheit, uns allen, schlichtweg verloren geht. Aber das kennen wir bereits: wir werfen auch die Hälfte dessen was wir so „effizient“ produzieren, ohne drüber nach zu denken, einfach weg.

Die hochgepriesene marktwirtschaftliche „Selbstverwirklichung durch „Selbständigkeit““ bringt in diesem Kontext auch keine Verbesserung der Lage. Die Menschen, die nicht das „Glück“ hatten einem „vermögenden Hintergrund“ zu entstammen (oder sich verschafft zu haben) und es wagen aus dem kapitalistisch-marktwirtschaftlichen Zwangssystem auszubrechen und nur das zu tun, wonach ihr Herz durstet, was sie am besten können und auch wirklich tun wollen, mit anderen Worte unabhängig von den Marktregeln das auszuleben was sie wirklich sind, sind stets mit großen materiellen Schwierigkeiten konfrontiert. Diese Schwierigkeiten zwingen sie dazu auf diesem Weg in zunehmend prekären Konditionen zu leben und hemmen ihre Entfaltungsmöglichkeiten. Wenige dieser Menschen können manchmal von den Ergebnissen ihrer schöpferischen Kraft einen ausreichenden Lebensunterhalt erwirtschaften, wenn das, was sie in die Welt setzen, auch vom Markt entsprechend gepriesen wird. Die meisten jedoch müssen irgendwann, nach wie vor, die eigene schöpferische Zeit drastisch kürzen, um vom Markt ausreichend bezahlten Jobs nachgehen zu können.

Einige Menschen, sogar sehr viele von den der einst aus dem System „ausbrechen“ wollten, geben irgendwann, wegen der lebensnotwendigen materiellen Sicherheit, sogar ihre eigenen Ansichten komplett auf. Noch schlimmer, viele passen die eigene Ansichten an die Marktanforderungen so an, dass sie zumindest sich selbst den Anschein geben können, doch das zu tun, was sie selbst „wollen“. Der Selbstbetrug ist jedoch tückisch, denn er ist sogar die Basis des allgegenwärtigen marktwirtschaftlichen Zwangssystem, aus dem sie früher auszubrechen versucht haben. Das gleicht einem Stillstand der spirituellen Entwicklung des Menschen, wenn nicht sogar einem Rückfall. Denn das Kürzen der eigenen, freien schöpferischen Tätigkeit ist, direkt gesagt, genau das, was den Menschen, in seiner spirituellen Weiterentwicklung, maßgeblich hemmt. Die Maslow‘sche Bedürfnispyramide erklärt es bildhaft: solange seine Sicherheits- und Individual-materiellen-Bedürfnisse nicht erfüllt sind, kann sich der Mensch seiner spirituellen  Weiterentwicklung, seiner Selbstverwirklichung nicht mal annähernd widmen.

Wir haben heute, technologisch gesehen und wenn wir das, was produziert wird, auch wirklich bedarfsorientiert verteilen würden, die Mittel für jeden Mensch auf diesem Planeten das notwendige zur Verfügung zu stellen. Dafür wären heute nur maximal die Hälfte (wenn nicht sogar weniger als die Hälfte) der Menschen, die arbeiten könnten, tatsächlich notwendig. Der Rest der Menschen wären in dieser (immer noch nur) idealen Welt ganz natürlich ohne einen „Arbeitsplatz“ zum „Lebensunterhaltverdienen“, da alles was sie brauchen würden, bereits vorhanden wäre. Ja, es ist mir auch klar, dass dafür ein anderes Denken notwendig ist – mit dem heutigen kapitalistischen marktwirtschaftlichen Denken ist das unvorstellbar. Diese heute noch utopische Vorstellung setzt voraus, dass jeder Mensch eine innere Selbstverpflichtung zu der großen Gemeinschaft des Planeten Erde empfindet und, freiwillig und in Selbstverständlichkeit, für eine Zeit seines Lebens, z. B. 10-15 Jahren, sich mit seinen Fähigkeiten und Gaben in Dienst seiner Gemeinschaft stellt, um das zu produzieren, was alle brauchen, und in Achtung für das Leben die Ressourcen zu pflegen, die uns allen kostenlos  zur Verfügung stehen – die Allmende der Menschheit. Auf dieser Ebene der spirituellen Entwicklung sind wir Menschen heute noch nicht. Dafür müssten alle Menschen  erst mal die Möglichkeit erhalten die Arbeit vom Lebensunterhalt zu entkoppeln und somit eine reale Chance zu haben, sich vorrangig auch um ihre eigene Selbstverwirklichung zu kümmern  und dadurch sich spirituell weiterentwickeln zu können.

An dieser Stelle drängt sich mir eine Frage: Wer hat denn Interesse daran, dass die Menschen sich spirituell nicht weiterentwickeln? Ein Mensch, der nach seiner Selbstverwirklichung strebt, ist ein selbstdenkender Mensch, der sich und seiner Umwelt bewusst beobachtet, der Vorhandenes in Frage stellt, der stets nach neuen Wege und nach den Sinn dieser Wege forscht und der sich dabei geistig nicht von willkürlich gefassten Regeln einengen lässt. Ein solcher Mensch ist in einer ausschließlich auf Profit gerichteten Marktwirtschaft, die nach lediglich ausführenden Arbeitskräfte Bedarf hat – Arbeitskräfte die zur Befriedigung ihrer physiologischen und grob-sozialen Bedürfnisse bedacht sind – schlichtweg nicht erwünscht. Ein solcher Mensch würde nämlich merken, dass das gelebte System an sich nicht stimmig ist und dass er selbst gleichzeitig sowohl der Verursacher der Probleme seiner Umwelt ist, als auch der letztendliche Leidtragende. Solch ein Mensch würde etwas ändern wollen  und würde es auch können, denn er wäre sich seines schöpferischen Potentials sehr bewusst und würde ihn auch entsprechend einsetzen wollen. Ein solcher Mensch würde sich im großen Kontext der Menschheit sehen und empfinden und seine eigene Rolle erkennen und wahrnehmen  können.

Kein Wunder also, dass die Befürworter der kapitalistischen Marktwirtschaft so viel Ressourcen ver(sch)wenden, dass dieser Mensch sich nicht entwickeln kann. Es ist einfach sehr profitabel für die Verfechter des Status Quo, wenn der Mensch so bleibt wie er heute ist: ein von Angst, Neid, Wut und Feigheit beherrschtes, extrem unsicheres Wesen, Scheuklappen tragend, unfähig sich zu artikulieren und stets von seinen Ur-Instinkte geleitet: Haben, Essen, Schlafen, Sex und „Spiele um die Macht“. Dieser Mensch ist leicht berechenbar und dadurch bequem beherrschbar, glaubt stets was ihm vorgegaukelt wird, befolgt Befehle bis im eigenen Verderben, übernimmt keine Verantwortung für sein eigenes Leben und lässt sich dadurch leicht manipulieren.

Viele von uns würden es nicht zugeben, aber seit mehreren Tausenden von Jahren befinden wir uns sozial in diesem Halbschlaf-Stadium – Sie können selbst, beispielsweise, dafür den tatsächlichen Unterschied zwischen den römischen Gladiatoren-Spiele und den heutigen, gerade in Krisenzeiten so hoch beworbenen „Sport-Veranstaltungen“ bedenken. Und? Finden Sie einen Unterschied? Ich nicht. Abgesehen davon, dass heute in der Arena keine Toten (absichtlich) erwartet werden, ist das Prinzip, das seit der Zeitrechnung zugrunde liegt, stets dasselbe geblieben: die Meute grollt den „Stars“ zu, trinkt Bier und Cola, isst Pommes, Würstchen und Chips und vergisst, was wirklich in der Welt passiert und auf kosten welchen „anderen“ Menschen diese unsinnige Opulenz und Verschwendung von Ressourcen überhaupt möglich geworden wurde. Die Gewinner werden mit Beträge belohnt, mit den ganze Städte Jahrelang ernährt werden können, werden wie Helden verehrt und zum Idolen emporgehoben. Wir akzeptieren das alles und finden es sogar sehr gut, denn es entspricht unseren Erwartungen an „Fairness“ und „Sportlichkeit“ – das lullt uns in den Traum ein, dass auch wir einmal „Gewinner“ werden könnten, oder, noch schlimmer, dass wir zu den „Gewinnern“ gehören. Wir sehen nämlich kein Blut mehr und so vergessen wir, dass das Blut nicht mehr sichtbar in den Sand der Arena fließt, sondern, oft gar nicht weit entfernt, in den Straßen der Slums und Favelas der „Sport-Metropolen“, in den Adern verhungernden, fast für nichts arbeitenden Menschen versiegt. Wir vergessen nämlich sehr gerne, dass wir alle die Verlierer dieses Spiel sind, das mit „Sport“ und „Fairness“ nichts mehr zu tun hat, sondern ein hart umkämpftes Geschäft um Profit ist. So bleibt „Brot und Spiele“ eine wirksame Technik einer selbsternannten herrschende Minorität, die davon lebt, dass die vielen von uns lieber unseren Instinkten frönen als uns die Mühe zu machen, uns selbstkritisch in Frage zu stellen.

Das heute wirksam erlebte System ist sehr „geschmeidig“ (siehe auch Harald Welzer – „Selbst denken“, Peter Senge – „Die Fünfte Disziplin“, Erich Fromm – „Haben oder Sein“), sehr anpassungsfähig und widersteht so jeglichem Veränderungsversuch, denn das implizite Ziel dieses Systems, das Ziel das wir Menschen ihm implementiert haben,  das unbegrenzte materielle Wachstum mit jedem Preis ist. So wurde auch Arbeit, die naturgemäß eine der Hauptbeschäftigungen des Menschen auf seinem Selbstverwirklichungsweg ist, mittlerweile durch dieses System zweckentfremdet: sie dient nicht mehr uns, den Menschen, sondern wurde dem Menschen sein Herr und Gebieter.

In einer spirituell entwickelten Gesellschaft ist Arbeit die stärkst mögliche schöpferische Ausdrucksweise eines bewussten Menschen. Wenn der Mensch den Mensch von dem „Verdienen seines Lebensunterhalts“ befreien kann, dann wird auch die Arbeit, naturgemäß, frei aus dem Bedürfnis des spirituell entwickelten Mensch. sich der Gemeinschaft mitzuteilen, sich und seine Gaben und Fähigkeiten zu verschenken, um sich als untrennbarer Anteil der Gemeinschaft gemeinschaftlich wirkend zu empfinden. Die Zugehörigkeit jedes menschlichen Individuums zu einer Menschheit kann erst dadurch von Jedem organisch empfunden werden. Somit könnte es auch sein, dass das wahre Potential der Menschheit erkannt und verwirklicht wird. Das können wir Menschen allerdings nur gemeinsam  ermöglichen!