Im heutigen wirtschaftlichen Gefüge sind Attribute wie „Selbständigkeit“ und „Unternehmer“ quasi selbstverständlich mit hohe Intelligenz, Umsetzungskraft und besondere Fähigkeiten assoziiert. Gleichzeitig werden sie jedoch auch mit sozialen Werte wie Selbstbestimmtheit, Innovation- und Entwicklungspotential und dadurch implizit mit Freiheit und Unabhängigkeit gleichgesetzt. Für viele Menschen ist ein „Selbständiger Unternehmer“ ein Symbol für die Entscheidungs-Freiheit im Bezug auf die Gestaltung des eigenen Lebens.
Was wird heute im Allgemeinen wirklich darunter verstanden, wenn ein Mensch als „Selbständiger“ oder/und „Unternehmer“ bezeichnet wird? Ich stelle mir ernsthaft die Frage, ob das, was heute als „Selbständiger“ gelebt wird, mit dem tatsächlichen Erleben eines Selbstständig-Seins übereinstimmt? Und im welchem Umfang ein „Unternehmer“ tatsächlich etwas schöpferisches unternimmt, um wirklich das Unternehmer-Sein erleben zu können?
Ich beobachte, dass mit der Kategorisierung eines Menschen als „Unternehmer“ und/oder „Selbständiger“ werden dem jeweiligen Menschen fast automatisch eine Reihe von weiteren „Leistung“-Merkmale zugeordnet, wie z. B. besondere Erfahrung, Expertise, Führungsqualitäten, wirtschaftlicher Erfolg, finanzielles Reichtum (mindestens als Ziel), Eliteanspruch und besondere Rechte und Privilegien zugesprochen; es werden jedoch zum Teil auch extrem hohe Anforderungen und Erwartungen an die von diesem Menschen zu erbringenden „Leistungen“ gestellt.
Kann das im Einklang mit einer gelebten Entscheidungs-Freiheit und Selbstbestimmtheit des Menschen sein? Und überhaupt, in diesem Spezialfall: Ist ein Mensch, der heute als „selbständiger Unternehmer“ tätig ist, tatsächlich selbständig oder sogar Unternehmer , so wie die „marktübliche“ Berufs- und Tätigkeitsbezeichnungen es vorgeben wollen?
Was qualifiziert tatsächlich einen Mensch als „Unternehmer“? Kann ein Mensch nur in Verbindung mit einem „erfolgreichen marktwirtschaftlichen Geschäft“, einem sogenannten guten „Business Plan“, als Unternehmer bezeichnet werden? Ist ein Unternehmer nur ein Mensch, der erfolgreich etwas „vermarkten“ kann, auch wenn die Vermarktung schließlich nur der eigenen Bereicherung dient? Und ist ein Unternehmer, nach der marktwirtschaftlicher Definition, auch ein Mensch der tatsächlich sein schöpferisches Potential zum Wohle deren einsetzt, ohne die sein Unternehmer-Sein gar nicht existieren könnte?
Wann ist ein Mensch tatsächlich „selbständig“ – Sind Menschen die als Freiberufler und Einzelunternehmer arbeiten „selbständiger“ als die Menschen die „angestellt“ ihr Lebensunterhalt verdienen? Wie definiert sich „Selbständigkeit“? Nach welchen Kriterien wird „beurteilt“ ob ein Mensch „selbständig“ ist, oder nicht? Was für einen Einfluss hat das heutige Denken über „Selbständigkeit“ auf unsere Umwelt – tut es uns allen gut, wenn wir alle nach den heutigen Maßstäben „Selbständig“ werden? Und leben wir dann, wenn wir nach den Maßstäben des aktuellen Wirtschaftssystem als „Selbständige“ bezeichnet werden können, in der Tat SELBST-STÄNDIG?
Warum wird heute das „unternehmerisch Selbständig-Sein“ von so vielen Menschen in sozial-beratenden Berufen als „Weg der spirituellen Weiterentwicklung“ gesehen und empfohlen – hat das eine Berechtigung, oder ist es nur ein weiterer Versuch sich der „Marktnachfrage“ nach eine Verbindung zwischen dem heutig praktizierten Konsum-Wirtschaften und dem spirituellen Wachstum anzupassen? Bringt das heiß empfohlene marktwirtschaftliche „Selbständig-Sein“ den Menschen mehr Zusammenhalt und Frieden in ihr Leben, oder führt eher zu noch mehr Stress, Abgrenzung, Konkurrenz und Trennung?
Ich frage mich: Hilft das alles einem Wandel zu einer Welt in der alle miteinander entspannter, zufriedener und glücklicher leben können?