Diese Frage beschäftigt mich zunehmend – vor allem weil es immer wieder heißt, dass das (heute so besprochene) „nachhaltiges Wirtschaften“ auch die „Sicherung von Arbeitsplätzen“ beinhalten soll. Mir ist nicht wirklich klar warum es eine „Sicherung der Arbeitsplätzen“ geben soll und was das mit „Nachhaltigkeit“ zu tun hat. Soll die „Sicherung von Arbeitsplätzen“ eine Bedingung für die „Nachhaltigkeit“ sein? Oder für das Wirtschaften? Wie sind diese Begriffe in diesem Zusammenhang wirklich verwendet? Welche ist die Absicht, die dahinter steht?
Ich gehe es mal Schritt für Schritt an:
– Nachhaltig bedeutet in ganz einfachen Worten so viel wie „eine Ressource nur so intensiv verwenden, dass sie genug Zeit hat sich ausreichend zu regenerieren und somit die Gefahr vermieden wird, dass sie erschöpft werden kann“.
– Wirtschaft/en bedeutet grundsätzlich „effizient über die Verwendung von begrenzten Ressourcen zu entscheiden, um die bestmögliche Bedürfnisbefriedigung zu erreichen“.
– Für den Arbeitsplatz gibt es in der heutigen Zeit eine sehr interessante Definition: Der Arbeitsplatz ist jene Stelle im Betrieb, einer Verwaltung oder einer Organisation, an welcher ein abhängig Beschäftigter seine im Rahmen des Arbeitsverhältnisses geschuldete Tätigkeit erbringt.
Mit anderen Worte, wenn wir uns auf uns Menschen beziehen – denn wir sind die, die anscheinend Arbeitsplätze brauchen – bedeutet die „Sicherung von Arbeitsplätzen“ in einem „nachhaltigen Wirtschaften“: Die begrenzte Ressource Mensch nur so intensiv verwenden, dass sie nicht Gefahr läuft sich zu erschöpfen und somit stets als abhängiger Beschäftigter ihre im Rahmen des Arbeitsverhältnisses geschuldete Tätigkeit erbringt, sodass die bestmögliche Bedürfnisbefriedigung erreicht wird.
Eine klare, in der heutigen Zeit gut nachvollziehbare Definition, nicht wahr? Allerdings, was noch zu klären wäre ist:
– welche Bedürfnisse genau sollen bestmöglich befriedigt werden?
– wer genau diese Bedürfnisse tatsächlich hat und erfüllt haben möchte?
– warum die Bedürfnisbefriedigung von abhängigen Beschäftigten durch Erbringung einer geschuldeten Tätigkeit erfolgen muss?
– warum wird der Mensch überhaupt als Ressource betrachtet, von wem und mit welcher Absicht genau?
– wer davon zu profitieren hat, wenn es alles so bleibt wie es, laut dieser Definition, heute ist ?
Ich finde persönlich, dass der Begriff „Nachhaltigkeit“ oft nur im marktwirtschaftlichen Sinne verwendet wird. Der Begriff an sich lässt das zu: Nachhaltigkeit im engeren Sinn betrachtet allein nur die Verwendung von begrenzten Ressourcen. Es liegt an einem Jeden von uns, ob überhaupt einen Zusammenhang zu der unmittelbaren Umwelt der betrachteten Ressourcen und zu dem soziologischen Ökosystem, das diese Ressourcen verwendet, hergestellt wird, oder wie und ob dies im größeren Zusammenhang unseres Planeten angesehen wird.
So entsteht in mir die Frage warum wie es dazu kommt, dass Menschen als eine verwendbare Ressource angesehen werden können – das überhaupt das Leben als eine Ressource angesehen werden kann? Warum wurde zur Bedingung für das Leben eines Menschen, dass er einen Arbeitsplatz hat, wo er als abhängiger Beschäftigter eine geschuldete Tätigkeit erbringen muss?
Klar ist es mir auch: ein Mensch muss, um leben zu können, allerlei Güter konsumieren, die dafür in irgendeiner Weise hergestellt und/oder bereitgestellt werden müssen. Es ist eine Lebensnotwendigkeit, dass wir Menschen, auf einem Planet lebend, der uns nur begrenzte Möglichkeiten zur Befriedigung unserer Lebens-Bedürfnisse zur Verfügung stellt, uns bewusst mit dem nachhaltigen Wirtschaften dieser Möglichkeiten beschäftigen.
Die viel wichtigere Frage, aus meiner Sicht, ist jedoch: Braucht ein Mensch wirklich einen Arbeitsplatz (im marktwirtschaftlichen Sinn) als Grundsicherung, sogar Rechtfertigung seiner Existenz? Oder, im Kehrschluss, ist ein Mensch, der keinen Arbeitsplatz „hat“, es nicht würdig zu leben? Bitte hier um Aufmerksamkeit: ich meine hiermit nicht die Arbeit an sich – Arbeit ist ein integraler Bestandteil der menschlichen Existenz: Der Mensch arbeitet immer, denn als bewusstes Wesen ist er meist schöpferisch tätig, stets sich an seine Umwelt und seine Umwelt an seine Bedürfnisse anpassend. Nun, nicht alles, oder besser ausgedrückt das wenigste seiner Arbeit kann im marktwirtschaftlichen Sinne ausgewertet werden und sichert im aktuellem System einen Lebensunterhalt. Und das nicht weil diese (wie auch immer geartete) Arbeit nicht wertvoll wäre (erkennen wir hier bitte sehr hoch an die Arbeit einer Mutter, um nur das offensichtliche Beispiel zu erwähnen), sondern weil sie in der gelebten Marktwirtschaft nicht als „Arbeitsplatz“ vorgesehen ist und somit oft sogar mit Absicht verkannt. So entstehen groteske Bilder unserer Gesellschaft: Schwangerschaft wird als Hinderungsgrund zu einer Anstellung und als eine finanzielle Belastung angesehen – eine werdende Mutter ist den Anforderungen, die ein abhängig Beschäftigter zu erfüllen hat, nicht gewachsen und kann dadurch die geschuldete Tätigkeit nicht für den „Arbeitgeber“ zufriedenstellend erbringen. Es ist erschütternd: Dieser ungeschriebenen marktwirtschaftlichen Regelung nach, ist ein Wesen, das auf dem Weg ist einem anderen Wesen das Leben zu schenken, nicht (mehr) zum selbständigen Leben berechtigt, da es keinen „Arbeitsplatz“ (mehr) bekommen kann … Glücklicherweise ändert sich die Situation zunehmend in der letzten Zeit: immer mehr „Arbeitgeber“ handeln nicht mehr nach dieser abstrusen Regel und sehen erst den Menschen und danach den eigen erstrebten Profit – das gibt Hoffnung, dass wir uns endlich auf den Weg machen, ein Miteinander zu erschaffen.
In meinem Empfinden kann das Ziel des Wirtschaftens nur das Hüten des Lebens sein, denn nur so können wir dafür sorgen, dass wir und unsere Nachkommen überleben werden. Wir können nur dann den Begriff Nachhaltigkeit auf die Menschheit übertragen, wenn wir uns, die Menschheit, als integraler Anteil unserer Umwelt empfinden: unzertrennlich verbunden und gegenseitig voneinander abhängig. Erst dann wären wir, meinem Gefühl nach, im Stande unsere wirkliche Bedürfnisse zu erkennen und zu deren bestmöglichen Befriedigung zur Tat schreiten. Erst dann würden wir wissen können, was wir gemeinsam wirklich brauchen und dies mit dem vergleichen, was uns auf diesem Planeten als Lebensgrundlage angeboten wird. Erst dann wären wir fähig ein Wirtschaften zu entwickeln, dass wahrhaftig nachhaltig ist. Ein Wirtschaften, das unsere menschliche Bedürfnisse bestmöglich befriedigt und gleichzeitig auch die unserer Umwelt.
In meiner Vision würde so ein Wirtschaften ein Bedarfs-Wirtschaften sein – wir würden nur so viel produzieren und konsumieren, wie für ein erfülltes Leben wirklich notwendig ist. Ja, die Frage ist unmittelbar und voll berechtigt: was ist ein erfülltes Leben? Wie und vor allem von wem kann es definiert werden? Meiner Empfindung nach, kann das erfüllte Leben nur von allen Menschen gemeinsam definiert werden. Denn keiner von uns, auch nicht in kleinen Gruppen von sehr klugen Köpfen, wäre im Stande dies alleine zu definieren – der eigene Blickwinkel ist dafür einfach zu eng um alle Konsequenzen effektiv betrachten zu können. Und, noch wichtiger, keiner von uns kann für sich alleine Leben, ohne mit dem Leben anderer Wesen und mit seiner Umwelt zu interagieren.
Meine Freiheit „mein erfülltes Leben“ so zu leben, wie ich es möchte und gerne hätte, grenzt unvermeidbar an die Freiheit anderer Wesen „ihr erfülltes Leben“ so zu leben, wie sie es möchten und gerne hätten. Wenn diese Bedürfnisse ungleich sind und auf einander prallen, dann können, wie die Menschheitsgeschichte es klar zeigt, Missbrauch und Verbrechen, bis zum Mord und Krieg zwischen Menschen (und zwischen Mensch und Natur) entstehen. Es braucht vor allem ein selbstverständliches Miteinander aller Wesen und wir, die Menschen, da wir uns bewusst dafür oder dagegen entscheiden können, sind gefragt dieses Miteinander zu erschaffen.
Warum für die Erhaltung der Marktwirtschaft es unbedingt nötig ist, dass der Mensch einen Arbeitsplatz braucht um überhaupt leben zu dürfen, das müsste mittlerweile jedem von uns klar sein: Weil ein Mensch „ohne Arbeitsplatz“ seinen Lebensunterhalt nicht „verdienen“ kann und dadurch quasi „nicht lebensfähig“ ist, da er sich ohne „verdientes Geld“ an den Wirtschaftskreislauf des bedarfsunabhängigen Konsumierens nicht „beteiligen“ kann – oder wie neulich von einem Verfechter des Konsumismus in einer Talk-Runde auf ARTE dargestellt: weil der „Mensch ohne Arbeitsplatz“ nicht „kreditfähig“ sei … als ob das Ziel eines Menschen im Leben die Erfüllung der eigenen finanziellen Kreditfähigkeit wäre – vielleicht ist es immer noch, für noch zu viele von uns, das unbewusste Ziel, das verfolgt wird …
Wenn es um eine Veränderung der etablierten Ordnung geht, stellt sich ganz am Anfang die Frage nach dem „wie“: Wie soll so ein neues Wirtschaftssystem aussehen und nach welchen Regeln und Prioritäten funktionieren? Ich habe meine eigene Vorstellungen davon, wie so eine Gesellschaft aussehen könnet und gleichzeitig weiße ich ganz sicher, dass diese Vorstellungen, beim besten Wissen und Gewissen und allen guten Absichten, vollkommen unzureichend sind, um das zu konzipieren, was eine Menschheit braucht um zu überleben. Dafür muss ich mich mit vielen anderen Menschen zusammensetzen, in den Dialog gehen und mit ihnen die gemeinsame Vorstellung entwickeln, die für uns alle das Gemeinwohl representiert.
Ich nehme mal an, dass wir alle uns in der Tat dazu entscheiden, uns zu einem bedarfsorientierten Wirtschaften weiter zu entwickeln. Warum sollte der Mensch, in einem bedarfsorientiertes Wirtschaften, einen Arbeitsplatz brauchen und das als seine Dasein- und Lebensbedingung akzeptieren? Müssen tatsächlich, in einem bewusst nachhaltigen, bedarfsorientierten Wirtschaften, alle Menschen die meiste Zeit ihres Lebens arbeiten? Welcher ist der tatsächlicher Bedarf dafür? Heute werfen wir fast die Hälfte dessen was wir alle produzieren einfach weg – es ist eine Tatsache dagegen, dass das Essen, das einer Milliarde Menschen fehlt, in unserer westlichen Wirtschaft weggeworfen wird. Das bedeutet, dass bei einem bedarfsgerechten Produzieren und verteilen von Gütern, möglicherweise ein Drittel der aktuell in der Wirtschaft arbeitenden Menschen nichts mehr zu tun hätten, da der Bedarf bereits abgedeckt wäre. Das bedeutet auch ihren Bedarf, an alles was sie fürs Leben brauchen, wäre damit abgedeckt. Warum dann für das Wirtschaften zwangsläufig arbeiten? Warum nicht stattdessen abwechselnd arbeiten? Oder nur 10-15 Jahre im ganzen Leben?
Ich stelle mir vor, dass, in Zeiten wenn vieles nicht mehr notwendig ist, nur ein geringer Anteil der Gemeinschaftsmitglieder tatsächlich überhaupt was zu tun hätten und das die, die gebraucht wären, dies als Selbstverpflichtung erfüllen. Sind diese Pflichten gegenüber der Gemeinschaft dann noch Arbeitsplätze, die ein Mensch braucht? Oder sind sie selbstverständliche Dienste an die Gemeinschaft (und hier ist die Große Gemeinschaft aller Wesen gemeint), die jeder eine Zeitperiode seines Lebens freiwillig und selbstbestimmt leisten möchte ?
Ist, in einer sich bewussten Gemeinschaft aller Menschen, nicht auch eine selbstverständliche Selbstverpflichtung eines Jeden gegenüber der Gemeinschaft vorauszusetzen? Eine Selbstverpflichtung, die ein ehrenamtliches Wirken eines jeden Gemeinschaftsmitglied für die Gemeinschaft implizit beinhaltet? Und das solange dieses Wirken notwendig ist? Eine Selbstverpflichtung im vollsten Vertrauen, dass das, was von dem Einen Allen gegeben wird, durch Achtung und sichere Unterstützung des Lebens, auch von Allen dem Einem wieder zurück gegeben wird?
Ich stelle mir für uns alle eine Gesellschaft vor, in der es für jeder eine Freude ist, zum Wohle aller Wesen und der Umwelt, nach eigene Begabung und Fähigkeit, jedoch auch nach Notwendigkeit, einen freiwilligen Dienst zu leisten – ein Geschenk und Gabe in dem Wissen, dass wir alle für uns gemeinsam Sorge tragen und keiner von uns jemals ohne Unterstützung bleiben kann. Dabei würden wir uns sicher vom Konsumismus verabschieden und unsere Aufmerksamkeit auf die wesentliche Aspekte des Lebens richten – Aspekte die jeder von uns schon immer in seinem Inneren spürt. Natürlich bedarf es dafür einer weitergehenden spirituellen Entwicklung, an der wir alle gemeinsam uns bewusst beteiligen. Ich sehe da kein Problem – das Potential ist offensichtlich vorhanden. Warum tun wir das noch nicht? Was genau hält uns davon ab?