Es gibt immer wieder Vorhaben/Pläne/Änderungswünsche die als utopisch betrachtet werden, weil deren Umsetzung anhand des vorhandenen Wissens und vorhandener Erfahrung der Menschen zurzeit des Vorhabens noch als unmöglich erscheint. Viele der in der Vergangenheit als Utopien klassifizierten Vorhaben sind jedoch in der heutigen Zeit zur Wirklichkeit geworden. Noch mehr – wir, die Menschen die heute leben, können uns zum Teil nur schwer vorstellen, dass es „damals“ Menschen gegeben hat, die das, was für uns heute „normal“ ist, als Unmöglichkeit und als Utopie bezeichnet haben. Das ist ein normales Verhalten für uns Menschen – unsere Vorstellungskraft ist von den Menge und Qualität der direkt erlebten Erfahrungen bedingt: was wir noch nicht kennen, können wir uns auch nicht wirklich vorstellen.
Es gibt jedoch Vorhaben/Pläne/Änderungswünsche die, sowohl sie basierend auf den aktuellen Erfahrungswerte möglich sein würden, trotzdem im Kreise derer die sich eine solche Bewertung anmaßen für Unmöglichkeiten und Utopien deklariert werden. Die Frage liegt auf der Hand: warum eigentlich? Was treibt Menschen dazu, ein Vorhaben als utopisch zu bezeichnen, obwohl auch sie selbst, bei ehrlicher und objektiver Betrachtung, die Möglichkeit einer Umsetzung nicht ausschließen können?
Ich nehme als Beispiel das Bedarfswirtschaften als Vorhaben zur Änderung des sozialen Miteinanders der Menschen unter sich und des Miteinanders aller Wesen auf diesem Planeten. Das Bedarfswirtschaften besagt, dass jedes Wesen, und nehmen wir hier erstmals den Menschen, nur das Verbrauchen sollte, was es tatsächlich für ein wohlgefühltes Leben braucht. Nach diesem Prinzip würde das Wirtschaften der vorhandenen Ressourcen auch nur das produzieren müssen, was tatsächlich gebraucht wird und nicht mehr.
Klar gibt es hier sofort die Frage: und was ist ein „wohlgefühltes Leben“, bitte schön? Was gehört alles dazu und was nicht? Und wer soll das entscheiden? Und was ist wenn „einer“ (dieser „einer“ kann nur ein Mensch sein, wohl gemerkt) sich so viel mehr als der/alle andere „wünscht“, oder gar behauptet ein „Recht“ darauf zu haben, mehr zu „besitzen“ und implizit zu verbrauchen? Wie steht es mit der persönliche Freiheit des Individuum, sich so zu entwickeln und zu leben wie es ihm beliebt? Was kann das alles für Konsequenzen haben, wenn wir all die Fehlversuche des 20. Jahrhunderts betrachten? Ja, die Fragen gibt es und es gibt in der Tat keinen einzigen Mensch, der diese Fragen alleine beantworten könnte. Die Schatten der Angst vor Veränderung sind lang und zäh und kleben hemmend an unsere Vorstellungskraft – vor allem wenn sie geschickt aus einem uns unbewussten Hintergrund ernährt werden.
Die notwendige Antworten zu den vielen Fragen können nur von den vielen betroffenen Menschen gemeinsam erarbeitet werden. Klar muss sich dafür sehr vieles ändern – vor allem in unserem Denken über uns Menschen und unsere Rolle auf diesem Planeten. Und wir müssen als aller erstes uns selbst fragen: Warum glaube ich so viel zu „brauchen“ und was genau „brauche“ tatsächlich ich um erfüllt leben zu können und glücklich zu sein? Meine eigene Erfahrung zeigt es mir, dass das Meiste was ich früher dachte das ich brauche, im Wesentlichen ein Ersatz für eine andere Bedürftigkeit darstellte, die viel tiefer lag und sich meiner Beobachtung seht geschickt entzog. Einmal entdeckt, ins Licht gerückt und wirklich gesehen, sind die meisten materiellen Bedürfnisse einfach verschwunden. Der wirkliche Bedarf der geblieben ist, ist der an Kommunikation mit anderen Menschen und zwar offen und ehrlich, bedingungslos vertrauensvoll und gegenseitig wertschätzend. Ja, das ist aus heutiger Sicht für viele von uns unvorstellbar – allerdings nicht unmöglich.
Das was es braucht für ein Bedarfswirtschaften der vorhandenen Ressourcen durch die Menschen ist Offenheit und Ehrlichkeit sowie bedingungsloses gegenseitiges Vertrauen und Wertschätzen. Das würde jedoch bedeuten, dass fast alles, was heute unsere so lieb gewonnene „sichere Weltordnung“ darstellt, sich ändern müsste und zwar so, dass jeder Mensch das gleiche Recht auf ein wohlgefülltes Leben haben und auch erleben kann. Das ist leider von den wenigen, die sich an der Spitze der marktwirtschaftlichen Macht befinden, nicht unbedingt mit wohlwollenden Augen betrachtet und das ist nachvollziehbar. Für eine kleine selbst ernannte Elite würde es bedeuten, ihren nicht natürlichen und somit unberechtigten Anspruch auf „mehr“ aufzugeben und, wie es in düstere Bilder betont wird, sich in die „Anonymität der Maße“ zu begeben, wo alles „gleich“ ist und „keine Individualität“ mehr erwünscht sei.
Das ist allerding nur ein Angstbild, das von den Status Quo Vertretern mit sehr viel Erfolg propagiert wird. Dabei werden allgemeine Begriffe in missverständlicher Weise verwendet, indem Gemeinschaft mit „Abwesenheit von Individualität“ und Gleichberechtigung mit „Freiheitsberaubung“ gleichgesetzt werden. Sehr interessant ist es auch, dass gleichzeitig etwas sehr wichtiges verschwiegen wird: dass in natürlicher Weise die Freiheit eines jeden Individuums an die Freiheit allen anderen Individuen endet, mit den es in gegenseitiger Abhängigkeit lebt, und dass eine gesunde Gemeinschaft nur aus Individuen entstehen kann, die sich ihrer eigenen Einzigartigkeit bewusst sind und die der Anderen in gleicher Maße respektieren und wertschätzen. Das weiß die Wirtschaftselite sehr wohl, denn sie kann nur dann ihre eigene Freiheit ins Unermessliche ausweiten, wenn die „Andere“ dieses Vorhaben nicht bewusst bemerken und kritisch hinterfragen – Angstbilder helfen sehr, die eigene Gedanken in einem Käfig zu verwandeln, aus dem nur schwer zu entfliehen ist.
Das Bedarfswirtschaften ist keine Sozialutopie – dessen Umsetzung ist in den heutigen Kreisen der marktwirtschaftlichen Macht einfach nicht erwünscht. Aus diesem Grund werden alle Bestrebungen in dieser Hinsicht als Utopien abgewertet, leicht von der Hand abgewiesen und, im Extremfall, sogar als potentielle Gefahr verteufelt. Das Bedarfswirtschaften ist lediglich nur etwas, das Menschen, die in der aktuellen Wirtschaftsordnung auf Kosten anderer „erfolgreich“ sein können, gerne als Sozialutopie abwerten wollen. Denn die angestrebte Veränderung würde deren „Heimvorteil“ vernichten, wenn alle Menschen tatsächlich die gleichen Chancen hätten. Wenn wir uns einen Zustand des Seins nicht vorstellen wollen, ihn uns nicht wünschen, dann finden wir immer „gute Argumente“ dieser Zustand als abwegig, ja unmöglich und unerreichbar zu beschreiben.
Das Bedarfswirtschaften ist definitiv möglich – es bedarf allerdings in der Tat einen innigen Zusammenschluss aller Menschen, ein anderes Empfinden der gemeinsamen und gegenseitigen Abhängigkeit, ein anderes Denken über das, was möglich und was unmöglich ist.
Zurzeit denken wir uns zurecht, dass es ein solches Zusammenleben nicht möglich sein kann. Wir tun das, weil wir uns vor dem, was noch nie da war, sehr fürchten, die Verantwortung für eine solche Veränderung nicht übernehmen wollen und stattdessen lieber den Status Quo Aposteln zuhören. Dabei vergessen wir, dass diese selbst sehr daran interessiert sind, dass sich nichts verändert. Die Status Quo Aposteln verteufeln einen Wandel im Denken und Empfinden, weil sie selbst, aus der verführerischen egozentrischen Perspektive einer zu engen Denkweise, das, was auch für sie gutes entstehen könnte, einfach nicht wahrnehmen können. Dafür müssten sie sich erst als unzertrennlicher Anteil der Menschheit empfinden und wahrnehmen. Allerdings, dass wir uns alle gemeinsam als ein Ganzes wahrnehmen, dafür sind wir alle verantwortlich. Keiner von uns kann dieser Verantwortung entgehen oder sie abgeben – wir tragen sie alle auch dann, wenn sie uns nicht bewusst ist.