Wir Menschen sind Wesen, die mit der Gabe des bewussten Daseins beschenkt worden sind. Mit „beschenkt“ meine ich, dass in dem großen universalen Entwicklungsplan, wir Menschen (anscheinend) die ersten sind, die durch die notwendig vorhandenen Lebensbedingungen sich so weiterentwickeln konnten, dass wir unser eigenes Dasein bewusst wurden und, das wichtigste, die diese Erkenntnis auch miteinander teilen können. Wir sind (soweit mir bekannt) sogleich die ersten Wesen auf diesem Planeten, die sich selbst bewusst als Spezies im Kontext des Planeten und des Universums wahrnehmen können und die, wahrscheinlich deswegen, fähig sind ein bewusstes Sozialleben zu führen. Im Unterschied zu Mitglieder anderer Spezies auf dem Planeten, weißt jeder einzelner Mensch, auch wenn er sich in erster Linie „nur“ um sich selbst zu „kümmern“ vermag, dass er unausweichlich zu der großen „Familie“ der Menschen gehört – jeder von uns weißt um uns, um die Menschheit – und erhofft sich implizit, dass, in Zeiten der Not, er sich auf seine Mit-Menschen verlassen kann.
Was wir jedoch noch nicht so genau wissen, was uns noch nicht wirklich bewusst ist das, was wir wirklich brauchen um als Spezies zu überleben. Dem großen Geschenk der Schöpfung ist nämlich auch eine implizite Aufgabe zur Aufbewahrung des Lebens und zur eigenen Weiterentwicklung inne.
Was bisher in unserer Geschichte geschah? Wir haben das Glück mit der Gabe des Bewusstseins beschenkt worden zu sein – wir sind uns bewusst, dass es uns gibt und erkennen auch unsere Möglichkeiten Entscheidungen zu treffen. Wir haben schnell gelernt aus unseren engen Ansichten uns „eigene Meinungen“ zu bilden, sie unseren Mitmenschen mitzuteilen und, wenn nötig, sie mit Gewalt gegen „die Anderen“ zu verteidigen. Von der Durchsetzung unserer so getroffenen Entscheidungen hing in der bisherigen Evolution des menschlichen Spezies tatsächlich unser Überleben ab. So haben wir bisher dem alten Evolutionsgesetz (des sich selbst unbewussten Lebens) entsprochen und bisher erfolgreich überlebt: das mächtigere Individuum, die mächtigere Familie, der mächtigere Clan, das mächtigere Volk hat seine Umgebung nach seinem Wunsch und Willen umgestaltet und ausgenützt und über das Leben und Tod in seinem Lebensraum bestimmt.
Das hat tausende von Jahren gut funktioniert. Vor allem, weil die „Welt“ anfänglich unendlich zu sein schien und wir, die Menschen, noch so wenige waren. Mittlerweile sind wir Menschen jedoch nicht mehr so wenige, sondern, wenn wir darauf bestehen weiterhin so zu leben wie bisher, sind wir bereits viel mehr Menschen als unser Planet ernähren könnte. Wir wissen darum, denn wir sind uns bewusst was wir tun. Und wir sind uns auch bewusst (oder zumindest sein müssten), dass wir, die Menschen, in unserer Lebensweise etwas verändern müssen, wenn wir weiterhin überleben wollen. Zurzeit versuchen wir in der Tat etwas zu unternehmen um dieser Gefahr zu entgehen – da wir miteinander bewusst kommunizieren können und „vernünftige Wesen“ sind (oder uns dafür halten), versuchen wir seit mehr als ein Jahrhundert miteinander zu reden. Unglücklicherweise versuchen wir dies immer noch nach der alten „Meinungen“-Methode – jeder von uns versucht die „Anderen“ über seine „Wahrheit“ zu überzeugen und möchte nicht einsehen, dass wir alle in einem ziemlich kleinen und zerbrechlichen Boot gemeinsam sitzen. Beschäftigt mit der „Verteidigung“ der eigenen „Wahrheit“ übersehen wir, dass die einzelne „Meinungen“, wie „Wahr“ sie subjektiv auch sein mögen, überhaupt keine Rolle mehr spielen, wenn das Boot, während der nutzlosen „Rechthaben-Debatte“, eher früher als später, mit uns allen sinken wird!
Dabei gibt es bereits eine Lösung für unser Kommunikationsproblem – eine Lösung die wir seit unseren menschlichen Anfängen kennen, die uns im Blut steckt und, bevor wir das „Recht- und Machthaben“ als Lebensweise wählten, stets erfolgreich praktizierten – damit ist der Dialog gemeint. Damit haben sich im letzten Jahrhundert besondere Mitglieder unseres Spezies sehr intensiv beschäftigt und für uns alle verständlich erklärt, wie unsere gemeinsame Kommunikation funktionieren muss, wenn wir alle als Spezies überleben wollen. Nach dem Lesen der Werke von Martin Buber, David Bohm und Erich Fromm finde ich es sehr schwierig (auch es wenn sehr herausfordernd wäre) überhaupt etwas über den Dialog zu schreiben, das eine würdige Zusammenfassung wäre. Das ist in keinem Fall die Absicht, die hinter diesem Blogbeitrag steht. Für mehr Informationen kann ich dem/r interessierten LeserIn meines Blogs nur das intensive Selbststudium des Themas empfehlen. Meine Absicht ist allerdings, mit den nächsten Zeilen, mein eigenes Empfinden im Bezug auf den Dialog, als eine für die Menschheit und unser Leben heilende Form der Kommunikation, darzustellen.
Was ist Kommunikation? Laut Wikipedia ist Kommunikation (lat. communicatio, ‚Mitteilung‘) der Austausch oder die Übertragung von Informationen. „Information“ ist in diesem Zusammenhang eine zusammenfassende Bezeichnung für Wissen, Erkenntnis oder Erfahrung. Mit „Austausch“ ist ein gegenseitiges Geben und Nehmen gemeint. Die Stammwortwurzel „communi“ zeigt außerdem, dass es sich bei der Kommunikation an sich prinzipiell um die Absicht des Erreichens eines gemeinsamen Wissensstandes handelt. Mit anderen Worten übersetzt: etwas gemeinsam betrachten/besprechen.
Als ersten ist es mir wichtig den Unterschied zwischen der uns allen sehr bekannten Form der Kommunikation, der Debatte, und der „neuen-alten“ Form, den Dialog, aufzuzeigen. Vor allem sind, nach meiner Ansicht, die grundlegenden Prinzipien, die an der Basis dieser zwei Kommunikationsarten stehen, sehr unterschiedlich:
– das Prinzip der Debatte (dt. auch Diskussion), die als „Streitgespräch“ definiert wird, verlangt, dass zwischen den Ansichten über die gesprochen (debattiert) wird eine Auswahl getroffen wird – d. h. eine der Ansichten, und zwar die, die am besten mit „Argumenten“ belegt bzw. „gerechtfertigt“ wird und somit „überzeugt“, wird als die bevorzugte bzw. „richtige“ „Lösung“ angesehen und ausgewählt. Die andere, meist als Gegenansicht betrachtete Ansicht, wird meist als „unrichtig“ abgetan und verworfen oder ignoriert. Damit werden absichtlich Teile der betrachtete „Wirklichkeit“ oder „Wahrheit“ als nicht maßgebend für die zu treffende Entscheidung disqualifiziert. Der „Erfolg“ in einer Debatte hängt damit eher mit der subjektiv empfundenen „Überzeugungskraft“ der involvierten Debattierenden und implizit mit deren persönlichen Interessen zusammen und weniger mit den Tatsachen über die debattiert wird und den Interessen der Gemeinschaft, die von der zu treffenden Entscheidung unmittelbar betroffen wird.
– als Alternative empfehlt das Prinzip des Dialogs, dass ALLE Tatsachen und Ansichten zur besprochenen Situation als gleichwertig betrachtet werden und zur Bildung eines gemeinsames Wissensstandes der Dialogierenden hinzugezogen werden. Aufgrund des gemeinsames Wissensstandes wird dann von allen Dialogierenden gemeinsam eine Entscheidung gesucht, die am meisten der Interessen deren Gemeinschaft dient (und nicht nur der Interessen eine überzeugenden oder machthaberische Minderheit entspricht). Der Dialog ist an sich ein schöpferischer Prozess der dadurch entsteht, dass Menschen sich im Vertrauen auf einander einlassen, sich als gleichwertig betrachten, bereit sind sich gegenseitig wertschätzend zuzuhören und gemeinsam nach eine Lösung für alle zu suchen.
Es klingt einleuchtend, nicht wahr? Es wäre zu erwarten, dass allen Menschen, die von dem Dialog erfahren, sehr gelegen sein müsste, in dieser Art und Weise Lösungen zu finden, die gleichsam für alle gut sind. Leider zeigt meine bisherige Erfahrung, dass wir Menschen, in unserer Mehrheit, „Dialog-resistent“ sind – das will bedeuten, dass wir uns nicht gerne auf einen wahren Dialogprozess einlassen würden und, dass dafür eine bewusste Entscheidung getroffen werden muss, die den meisten von uns nicht leicht fällt. Ich habe beobachtet, auch wenn die Theorie des Dialogs sehr überzeugend ist, dass wir, die Menschen von heute, bei deren Umsetzung mit erheblichen Schwierigkeiten konfrontiert sind. Die größte davon ist, meinem Empfinden nach, uns auf den ungewissen Ausgang eines Dialogs einzulassen, im Vertrauen, dass er auch für uns „gut“ sein wird. Ich persönlich vermute, dass diese Schwierigkeit entspringt der Unsicherheit die damit verbunden ist, dass wir Angst haben, dass in der Lösung, die ein Dialogprozess letztendlich herbeiführen würde, unsere eigenen Interessen nicht gemäß unserer als „berechtigt“ betrachteten Erwartungen berücksichtigt werden.
Diese Angst ist in der Tat berechtigt, denn der Dialogprozess zielt auf eine Lösungsfindung, die die Gemeinschaft der Dialogierenden in Vordergrund stellt. Der Dialogprozess baut darauf auf, dass jeder Mitglied dieser Gemeinschaft bereit ist, auf Basis der gemeinsam geteilten Erfahrungen und Wissen, die eigene Ansichten, Anforderungen und Erwartungen zu revidieren (noch mal betrachten) und eventuell so anzupassen, dass eine gemeinsame, gemeinschaftliche Lösung gefunden werden kann. Außerdem, wenn der Dialogprozess nicht zu einer Lösungsfindung führt, die von allen Dialogierenden als erfüllend empfunden wird, bedeutet es nur, dass offensichtlich noch Erfahrungs- und Wissensbedarf besteht und nicht, dass eine Entscheidung aufgrund einer „Mehrheit“ getroffen werden wird.
Das bedeutet mit anderen Worten, dass, wenn ich mich auf einen Dialogprozess einlasse, dann muss ich darauf vertrauen, dass das Ergebnis der Lösungsfindung auch meine Bedürfnisse erfüllen wird, auch wenn ich nicht genau wissen kann wie das Ergebnis am Ende des Dialogs (der manchmal ein längerer Prozess sein kann) tatsächlich aussehen wird.
Das „uns einlassen und loslassen“ haben wir seit tausenden von Jahren nicht mehr wirklich geübt und damit wieder anzufangen erfordert Mut und Vertrauen in unseren Mitmenschen. Das erfordert, dass wir bereit sind unser Bewusstseinszustand von „ich“ zum „wir“ zu erhöhen. Das erfordert, dass „ich“ meine übermäßigen „haben“-Ansprüche los lassen muss und mir dem hohen Wert des gemeinschaftlichen Seins alles Lebens bewusst werde. Es erfordert, dass „ich“ mich, als einzigartiges Individuum, jedoch auch als unzertrennlicher Teil eines „wir“ empfinde und bereit bin den Wert und die Wichtigkeit der Einzigartigkeit eines jeden anderen Individuum für die Gemeinschaft anzuerkennen.
Der Dialogprozess setzt meiner Erfahrung nach voraus, dass wir uns gegenseitig mit aller Empathie und Aufmerksamkeit erst mal zuhören – das bedeutet ohne dazwischen zu fragen, anzumerken, gegen zu reden, zu rechtfertigen, zu argumentieren, die eigen dargestellte Meinung zu verteidigen, zum eigenen Ziel unbedingt ankommen zu wollen … Der Dialog bedeutet, zumindest in meiner Empfindung, alle in einer Gemeinschaft vorhandenen Ansichten gleichwertig zu integrieren, alle als „Kernthemen“ betrachtend, mit dem gemeinsamen Ziel tatsächlich das herauszufinden, was gemeinsam ist. Der Dialog setzt, in meiner Ansicht, nicht unbedingt einen vollkommenen Konsens voraus, sondern lebt sogar davon, dass es unterschiedliche Ansichten gibt, die so auch die Möglichkeit eröffnen einen Tunnelblick zu vermeiden und das Themengebiet, umfassend zu betrachten. Der Dialogprozess eröffnet jedoch den Weg auf dem ein wahrer Konsens erreicht werden kann, wenn alle dazugehörenden Ansichten in diesem Konsens wertschätzend integriert wurden.
Die wichtigste Haltung im Dialogprozess ist für mich das Zuhören: Es impliziert einen großen Maß an Empathie und Bereitschaft dem jeweiligen Redner die ungeteilte Aufmerksamkeit zu widmen. Es impliziert bewusst zu versuchen das, was der Mensch, der redet, versucht zu kommunizieren, empathisch auf _allen Ebenen_ aufzunehmen. Dabei ist ein Zeichen großen Respekts zu akzeptieren, dass vielleicht manche von uns großen Rede- und Mitteilungsbedarf haben, dass viele von uns ihre eigenen Ansichten endlich mal mitteilen möchten und dass alle Menschen erwarten beachtet zu werden. Das gerade wenn es darum geht sich über das eigene und gemeinsame WOHL auszutauschen.
Das Zuhören impliziert für mich außerdem, dass ich nicht gleichzeitig anfange meine Frage, Antwort und/oder Widerrede zu formulieren, bevor ich nicht an der Reihe bin zu sprechen – denn, wenn ich das tue, dann kann ich unmöglich gleichzeitig auch zuhören und das, was ich dann erwidere, kann unmöglich dem was tatsächlich gesagt wurde eine Antwort geben. Warte ich stattdessen in Ruhe ab und höre aufmerksam zu, was alle andere zu sagen
haben und aus ihrem Herzen mitteilen möchten, dann lerne ich diese Menschen wirklich kennen und erweitere dazu meinen Blickwinken mit deren Sichtweisen. Es ist dann durchaus möglich, dass ich, wenn ich an der Reihe bin zu reden, keine Fragen oder Widerreden mehr habe, da ich die Antworten und die Erklärungen bereits erfahren habe, oder weil meine Ansicht mittlerweile sich so geändert hat, dass ich nichts mehr hinzufügen brauche.
In einem Dialog ergänzen wir uns gegenseitig und das Gefühl Anteil eines größeren Eins zu sein ist spürbar vorhanden – eine Diskussion/Debatte trennt uns von einander und lässt uns alleine/in kleineren Gruppen zu individuellen (Ich/Gruppen)Zielen streben, die letztendlich uns auch von einem gemeinsamen Ziel als Menschheit entfernen und unser Überleben gefährden. Das Zuhören und der Dialog sind für mich eine Lebens-Haltung die ich persönlich für unbedingt notwendig auf dem Weg zu einem gemeinsames Wohl allen Lebens empfinde. Vielleicht können wir gemeinsam, im Dialog, eine Lösung für unser Spezies-Boot-Problem finden und werden dadurch nicht untergehen müssen …